Freitag, 24. Juni 2011

Graue Architektur


















Unter "Grauer Architektur" versteht man die Alltagsarchitektur der Nachkriegszeit vom Ende der 1940er bis Anfang der 1970er Jahre. Das "Grau" bezieht sich nicht auf eine graue Farbe oder eine Farblosigkeit der Architektur, sondern auf ihre stilistische Unbestimmbarkeit, ihre Funktionalität und auf die Verwendung genormter Elemente und Bauteile, sowie auf Anonymität, Beliebigkeit und Massenhaftigkeit.

Die Graue Architektur war das Ergebnis der größten Bauanstrengung des 20. Jahrhunderts, nämlich dem Wiederaufbau Deutschlands nach der Zerstörung durch den Zweiten Weltkrieg. Nur in diesem Kontext wird sie verständlich. Die Bauten mußten aufgrund der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation nach dem Krieg in besonderer Weise Forderungen nach Bezahlbarkeit, schneller Machbarkeit und einer "Städteplanung am Reißbrett" erfüllen. Gleichzeitig waren Material und Personal noch knapp und hochwertige Baustoffe wenig verfügbar. Unter diesen Bedingungen wurden innerhalb kürzester Zeit nahezu ganze Städte mit einer soliden, die Jahrzehnte teils bis heute überdauernden Architektur regelrecht aus dem Boden gestampft. Dennoch hatten die Bauten durchaus auch eine eigene Ästhetik.

Die Architekten ließen - wenn auch für das ungeschulte Auge oft kaum erkennbar - Elemente aus verschiedenen Stilrichtungen von Klassizismus über Art Deco bis Bauhaus einfließen, sofern es die Kosten und die normierten Bauelemente erlaubten. Grundlage war aber immer eine Art von Grundraster über das dekorative oder stilistische Elemente additiv gelegt wurden. Zudem entsprach diese Bauweise dem damaligen Zeitgeist des Bruchs mit dem Alten und Überkommenen aus der Vorkriegszeit und eines radikalen Neuanfangs: der “Stunde Null”. Alte Bauten galten als häßlich, schmuddelig, marode und rückständig, klassizistitische Architektur wurde als Relikt einer gescheiterten Epoche betrachtet, alter Bauschmuck galt als unansehnlich und schwer reparierbar. Zweckmäßigkeit, Effizienz, Helligkeit, Sauberkeit, Authentizität, Modernität, wie man sie teils schon von Bauhaus her kannte, waren die Leitbegriffe. Alles andere spielte kaum eine Rolle.

Die Graue Architektur ist somit nicht eindeutig stilistisch definierbar. Sie dominiert vielfach bis heute unsere Innenstädte und ist deshalb einer genaueren Betrachtung wert.

Meine Fotos, die ich hier zeige, entstanden in Bremen, Bremerhaven und Hannover.





























Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen