Sonntag, 29. April 2012

Celle



























Celle war die Residenz des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg unter der Celler Linie der Welfen. Ab 1585 gehörte auch die Grafschaft Diepholz zu dem Herzogtum. Das Celler Residenzschloß geht auf eine Burg aus dem 13. Jahrhundert zurück. Der heute noch erhaltene Bauzustand zeigt ein Renaissance-Schloß mit frühbarocken Einflüssen. Dabei handelt es sich um einen Umbau vom Ende des 17. Jahrhunderts, der unter Herzog Georg Wilhelm im venezianischen Stil ausgeführt wurde. Unter seiner Regentschaft wurde auch der Französische Garten angelegt. Nach dem Tod von Georg Wilhelm wurde im Jahre 1705 das Herzogtum mit dem Kurfürstentum Hannover vereint. Damit verlor Celle die Residenz, blieb aber eine bedeutende Adels- und Beamtenstadt und entwickelte sich zu einer wichtigen Garnisonsstadt.


Im Zweiten Weltkrieg wurde Celle nicht zerstört. Somit blieben die alten Fachwerkhäuser in der  Innenstadt fast komplett bis heute erhalten. Es wurde kaum etwas abgerissen, statt dessen im Lauf der Jahre alles aufwendig restauriert. Es gibt nur wenig norddeutsche Städte mit einem derart gut erhaltenen historischen Stadtbild.

Heute hat Celle etwa 70 000 Einwohner und ist Kreisstadt des gleichnamigen Landkreises. Eine Bedeutung als Garnisonsstadt hat Celle seit der "Wende" kaum noch.
 
Die Bilder oben zeigen das Schloß und die Innenstadt. Unterhalb dieses Textblocks sind drei Bilder vom Französischen Garten zu sehen, das untere davon mit dem Ehrenmal für die 1866 in der Schlacht bei Langensalza im Krieg gegen Preußen gefallenen Hannoverschen Soldaten. Die Schlacht bei Langensalza konnte Preußen für sich entscheiden, woraufhin das Königreich Hannover von Preußen annektiert wurde.













Es folgen zwei Bilder von der ehemaligen Kaserne der Königlich Hannoverschen Armee (heute Osteuropa-Zentrum). Die Initialen "EA" stehen für Ernst August, König von Hannover von 1837 bis 1851. 










Die folgendenden drei Fotos dokumentieren Celle als preußische Garnisonsstadt nach 1866. Das erste Bild zeigt die riesige, 1873 im Stil der preußischen Neogotik errichteten Kaserne für zwei Bataillone des ehemals Hannoverschen Infanterieregimentes 77. Diese sogenannte "Heidekaserne" war eine der größten Kasernen im Deutschen Reich. Der monumentale Bau wirkt außerordentlich respekteinflößend und bedrückend, als eine Machtdemonstration des preußisch-deutschen Obrigkeitsstaates. Diesen Eindruck kann auch die in jüngerer Zeit angelegte Grünanlage mit Wasserfontaine kaum mildern. Das Gebäude ist 181 m lang (das Foto zeigt nur einen kleinen Ausschnitt). 1200 Soldaten waren darin untergebracht. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Kaserne bis 1992 von Britischen Einheiten belegt. Heute befindet sich in dem Riesen-Bau das Rathaus (!). Auf dem Foto darunter ist das ehemalige Lazarett zu sehen, auch dieses ungewöhnlich groß und nicht minder furchteinflößend. Hier wurden im Ersten und im Zweiten Weltkrieg Schwerverwundete wieder "kampffähig" gemacht, um sie nochmals zu verheizen. Das letzte Bild zeigt eine Gedenktafel (vermutlich aus der NS-Zeit) an der Garnisonskirche.  















Freitag, 6. April 2012

Schloss Marienburg













Im Jahre 1857 ließ der letzte König von Hannover Georg V. für seine Gemahlin Marie das Lustschloß "Marienburg" auf einem Berg bei Nordstemmen etwa 30 km südlich von Hannover errichten. Die Bauzeit betrug nahezu 10 Jahre. Das Schloß samt Innenarchitektur wurde im Stil der Neogotik ausgeführt. In der Neogotik zeigt sich die Verklärung und Idealisierung des Mittelalters und die Rückwärtsgewandheit der Mächtigen im Zeitalter der beginnenden industriellen Revolution. In der Tradition, der Religion und der überlieferten Weltordnung des Mittelalters lag schließlich die einzige Legitimation der Herrscher "von Gottes Gnaden", deren Herrschaft nach der Aufklärung, der französischen Revolution, der Revolution von 1848 und den Veränderungen der Gesellschaft durch die Industrialisierung und den sich entfaltenden Kapitalismus in Frage gestellt war, und deren Herrschaftsende sich langfristig abzeichnete, obwohl es nach dem Sieg über die Franzosen ab 1815 zunächst noch einmal eine Restauration der alten Machtverhältnisse gegeben hatte. Dies alles spiegelte sich teilweise auch in der Kunst. So kann der damals in der Baukunst aufkommende Historismus bzw. die Neogotik als eine Hinwendung zur Vergangenheit und eine Art romantischer Traum der alten Herrscher gedeutet werden. Aber auch diejenigen neuen bürgerlichen Herrscher, die in die Fußstapfen der alten Herrscher traten und mit diesen im Zeitalter der Restauration bis zum Ende des Kaiserreiches 1918 im Bündnis herrschten, folgten diesem Trend, denn wir finden ja auch Rathäuser, Kaufmannshäuser und sogar Fabriken im Stil des Historismus. So empfindet man es auch heute, wenn man die Marienburg besichtigt: Als ein Traum über verklärte Vergangenheit, ein Schwelgen in Romantik - ein Königssitz als "Märchenschloß" und "Ritterburg". Aber das liegt natürlich auch im Auge des Betrachters.

Noch bevor Schloß Marienburg vollständig fertiggestellt war, kam es 1866 zum "Deutschen Krieg", einem Krieg des Deutschen Bundes unter Führung von Österreich gegen Preußen und seine Verbündeteten um die Vorherrschaft in Deutschland. Georg V. stellte sich an die Seite Österreichs und verlor gegen Preußen. Nach der Schlacht von Langensalza wurde das Königreich Hannover von Preußen annektiert und zur preußischen Provinz. Mit dem Ergebnis des Krieges entstand der "Norddeutsche Bund" unter Führung Preußens, eine Vorstufe des preußisch-deutschen Kaiserreiches, das 4 Jahre später gegründet wurde. Georg V. floh nach der verlorenen Schlacht ins Exil nach Wien. Weil sich das Schloß Marienburg im Privatbesitz von Königin Marie befand, wurde es vom preußischen Staat nicht enteignet. Somit verbrachte Marie mit ihrer Tochter Mary und einem 40-köpfigen Hofstaat von September 1866 bis Juli 1867 noch einen Winter und Sommer auf der Marienburg, bevor sie ihrem Mann nach Wien ins Exil folgte. Ab 1869 stand das Schloß Marienburg fast 80 Jahre lang leer, abgesehen von der Wohnung des Hausmeisters. Im Jahre 1945 zog mit Unterstützung der Britischen Besatzungsmacht Herzog Ernst August III. mit seiner Ehefrau dort ein. Heute können die wichtigsten Räume des Schlosses im Rahmen von Führungen besichtigt werden. Dabei besteht jedoch Fotografierverbot.




















Die beiden Bilder unten zeigen den königlichen Empfangsbahnhof in der dem Schloß nahe gelegenen Ortschaft Nordstemmen. Die königliche Familie reiste von ihrer Residenz in der Hauptstadt Hannover per Bahn in einem speziellen Salonwagen zur Marienburg. Das Bahnhofsgebäude, die Straße zum Schloß mit Brücke über die Leine und das Schloß bildeten eine Art Gesamtkunstwerk. Allerdings wurde der Bahnhof bereits 1853 erbaut, als es noch keine Pläne zur Errichtung der Marienburg gab. Architekt war Conrad Wilhelm Hase, der später auch die Marienburg entwarf. Auffallend ist, daß die historisierenden Elemente am Bahnhofsgebäude relativ zurückhaltend sind, und daß der Bahnhof sehr funktional wirkt. Vielleicht kann dies als Modernität und eine Zuwendung an das Neue technische und industrielle Zeitalter seitens des Architekten interpretiert werden. Mit dem Bau des Schlosses Marienburg stattete man den Bahnhof mit königlichen Empfangsräumen und einem Buffet für den Hofstaat aus. Heute steht das Gebäude leer, verfällt und macht einen völlig heruntergekommenen Eindruck.