Donnerstag, 20. Juni 2013

U-Boot-Bunker Valentin




Das erste Bild zeigt den S-Bahnhof "Bremen-Farge". Er liegt am äußersten Nordwestrand der Stadt Bremen und ist Endstation der rund 10 km langen, eingleisigen Bahnstrecke von Vegesack nach Farge. Die Strecke wurde von der "Farge Vegesacker Eisenbahngesellschaft (FVE)" gegründet und 1888 eröffnet. Die Betriebsführung übernahm die Preußische Staatsbahn, und ab 1927 die Deutsche Reichbahn. 1961 wurde der Schienen-Personenverkehr, den nach dem Krieg teils die FVE selbst und teils die DB übernommen hatte, wegen Unrentabilität (Konkurrenz durch Stadtbusse der BSAG) eingestellt. Die eigentliche Bedeutung der Bahnstrecke lag im Güterverkehr mit dem Wifo-Tanklager Farge, mit dem Kohlekraftwerk Farge, und bis Anfang 1945 auch mit der Baustelle des U-Boot-Bunkers "Valentin". Im weiteren Umfeld des Bahnhofs befinden sich noch heute mehrere entsprechende, teils überwachsene Gleisanlagen, in Bremen-Rönnebeck (heute S-Bahnhof Turnerstraße) sogar ein großer, zugewachsener Rangierbahnhof. Im Dezember 2007 wurde der Schienen-Personenverkehr reaktiviert, zunächst mit Dieseltriebwagen der Nordwestbahn. Nach der Elektrifizierung der Strecke folgte schließlich im Jahre 2011 ihre Integration in das neue Bremer S-Bahn-Netz. Die S-Bahnfahrt von Bremen Hbf bis Bremen-Farge dauert etwa 45 min, was an der enormen Längenausdehnung der Großstadt Bremen liegt. Bis zum U-Boot-Bunker sind es dann noch knapp über 2 km Fuß- oder Fahrradweg.

Es folgen vier Bilder vom Ölpier des Wifo-Tanklagers. Man kommt am Pier vorbei, wenn man als Fuß- oder Fahrradweg die Strecke vom Bahnhof entlang des Weserdeiches wählt. Das Wifo-Tanklager für die Deutsche Wehrmacht (Wifo = "Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft", eine Tarnfirma) wurde ab 1935 am nordöstlichen Ortsrand von Farge erbaut und ab 1941 schrittweise in Betrieb genommen. Die Treibstoffbunker (bestehend aus Blocks zu je 5 Stück liegend eingegrabener, 50 m langer Stahlzylinder mit 10 m Durchmesser) sind mit Beton umschlossen, mit Erde überdeckt, und diese mit Vegetation überwachsen. Das Tanklager galt mit einer Kapazität von 320 Millionen Litern als das größte unterirdische Tanklager der Welt. Es wurde über eine Pipeline mit dem eigens dafür errichteten Ölpier an der Weser verbunden. Nach dem Krieg übernahm die US-Army das Tanklager, dann die Bundeswehr. In den 1960er Jahren erhielt es den Anschluß an die NATO-Pipeline (Stichleitung von Bramsche über Oldenburg nach Farge). Die NATO-Pipeline ist ein militärisches Leitungssystem, mit dem vor allem die Luftwaffenstützpunkte in West- und Mitteleuropa mit den militärischen Tanklagern vernetzt sind. Ab 1971 wurde hier in Farge auch ein Teil der nationalen Heizölreserve gelagert. Auf dem dritten Bild sieht man einen sogenannten Streckenschieberschacht der Pipeline. Das Bild habe ich von der Deichkrone aus aufgenommen, auf der Landseite direkt gegenüber dem Ölpier. Die auf dem Vierten der vier Bilder (Kennzeichnung einer unterirdischen Leitung gegenüber dem Ölpier) erwähnte "Fernleitungs-Betriebsgesellschaft mbH", ist für die NATO-Pipeline zuständig. Im "Verteidigungsfall" hätten jedoch Pipelinepioniere der Bundeswehr die Betriebsführung übernommen. Tanklager und Ölpier sind heute noch militärischer Bereich. Die Bundeswehr bereitet allerdings mangels Bedarf derzeit die Stilllegung des Tanklagers vor und sucht einen Käufer. Ein großes Problem sind nun die Altlasten. Boden und Grundwasser im Umfeld des Tanklagers sind mit Treibstoff und krebserregendem Benzol verseucht. 

An das Wifo-Tanklager nördlich anschließend begann 1939 der Bau eines weiteren Treibstoffdepots, des "Kriegsmarinetanklagers", das jedoch nicht mehr in Betrieb genommen wurde. Auch für dieses Tanklager wurde eine unterirdische Pipeline zum Ölpier verlegt. Nach seinem Baustopp im Jahre 1941 blieb das Marinetanklager eine Bauruine. Auf dem Gelände wurden ab 1943 Zwangsarbeiterlager für den Bau des U-Boot-Bunkers "Valentin" eingerichtet. Einer der leeren Betontanks (Durchmesser 46 m) diente als Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme. Nach dem Krieg nutzte die Garnison Schwanewede der Bundeswehr das Gelände als Standortübungsplatz.   

Alle drei Projekte, das Wifo-Tanklager, das Kriegsmarinetanklager und der U-Boot-Bunker "Valentin", sowie die dazugehörenden Eisenbahnanlagen, Konzentrationslager und Zwangsarbeiterlager hinterließen bis heute zahlreiche Spuren einer großräumigen Rüstungslandschaft zwischen Bremen-Farge und Schwanewede.



















Die folgenden Bilder entstanden am zweitgrößten U-Boot-Bunker der Welt, dem etwa 2 km stromabwärts des Ölpiers liegenden Bunker "Valentin". Obwohl der Bunker eigentlich im angrenzenden, kleineren Ortsteil Bremen-Rekum liegt, wird er meist "U-Boot-Bunker Farge" genannt. Baubeginn war Mitte 1943. In dem Bunker sollten U-Boote vom Typ XXI im Fließbandverfahren montiert werden. Die vorgefertigten Sektionen sollten dazu aus anderen Werften hier angeliefert werden. Das U-Boot vom Typ XXI war das erste "echte" Unterseeboot im Sinne heutiger U-Boote, weil es mit Hilfe einer speziellen Schnorchelanlage und sehr leistungsstarken Batterien durchgehend unter Wasser fahren konnte. Die Vorgängertypen waren lediglich Tauchboote und konnten daher von Flugzeugen und Radar bei Überwasserfahrt aufgespürt werden. Die Nazi-Führung hoffte, mit dem neuen U-Boot-Typ die Nachschubwege der Alliierten auf dem Atlantik unterbrechen, und somit den faktisch bereits verlorenen Krieg doch noch zu ihren Gunsten wenden zu können. Der riesige Werft-Bunker sollte in Sklavenarbeit errichtet werden.

In dem kleinen Flyer der Landeszentrale für politische Bildung, der am Bunker aus einer Box kostenlos entnommen werden kann, steht zu lesen: "[...] Bis zu 10.000 Zwangsarbeiter mussten zwischen Sommer 1943 und Frühjahr 1945 unter unmenschlichen Bedingungen Schwerstarbeit auf der riesigen Baustelle leisten: Zivile Zwangsarbeiter aus Ost- und Westeuropa, sowjetische Kriegsgefangene, italienische Militärinternierte, KZ-Häftlinge und Insassen eines Arbeitserziehungslagers der Bremer Gestapo. Viele von ihnen überlebten die Folgen der körperlich anstrengenden Arbeit auf der Bunkerbaustelle, der unzureichenden Versorgung und der Lebensbedingungen in den umliegenden Lagern nicht [...]"

Vermutlich weil der Bunkerbau Ressourcen der deutschen Kriegswirtschaft band, entschlossen sich die Alliierten erst Ende März 1945 kurz vor seiner Fertigstellung zu zwei Luftangriffen (einem britischen und einem amerikanischen). u.a. mit 10-t-Spezialbomben. Beim zweiten dieser Angriffe wurde auch das Wifo-Tanklager bombardiert, von diesem jedoch nur einer der Treibstoffbunker zerstört und das Rohrleitungssystem beschädigt. Die Baustelle des U-Boot-Bunkers konnte zwar verwüstet, und der Bunker schwer beschädigt, dieser aber nicht mehr zerstört werden. Anfang April 1945 folgte der Stopp der Bauarbeiten. Zur Produktion eines U-Bootes kam es nicht mehr. Auch der Durchstich zur Weser wurde nicht mehr fertiggestellt, da eine Zeitzünderbombe den sich in der Bunkerbucht befindenden Schwimmbagger versenkt hatte. Nur Tage später stand die Britische Armee mit Bodentruppen vor Bremen. Die Bunkerbucht ist zwar heute noch vorhanden, doch weil die Verbindung zwischen Bucht und Bunker nicht mehr hergestellt werden konnte, verläuft heute der Weserdeich zwischen Bunker und Bucht.

Der Bunker ist 426 m lang und 97 m breit, die Deckenstärke beträgt an der dicksten Stelle 7 m, die Außenwandstärke beträgt ebenfalls bis zu 7 m, die Innenwandstärke 2 m.

Bis 2010 hat die Bundeswehr einen Teil des Bunkers als Marine-Materiallager genutzt. Eine Innenbesichtigung des U-Boot-Bunkers ist nur im Rahmen einer Führung nach Voranmeldung möglich. Ein Besucherzentrum ist derzeit erst in Planung.












 

   







































Die letzten beiden Bilder zeigen das Mahnmal, das auf der Landseite vor dem Bunker aufgestellt ist:












Die Fortsetzung dieses Beitrags unter "Wifo-Tanklager Bremen-Farge" hier.





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen